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Inflation: Rückgang von Reallöhnen – Wissenschaftler schlagen Alarm

Inflation: Rückgang von Reallöhnen – Wissenschaftler schlagen Alarm

Inflation: Rückgang von Reallöhnen – Wissenschaftler schlagen Alarm

Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Heinrich-Böckler-Stiftung halten trotz Inflation Lohnerhöhungen für realistisch Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak
Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Heinrich-Böckler-Stiftung halten trotz Inflation Lohnerhöhungen für realistisch Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak
Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Heinrich-Böckler-Stiftung halten trotz Inflation Lohnerhöhungen für realistisch Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak
Inflation
 

Rückgang von Reallöhnen – Wissenschaftler schlagen Alarm

Obwohl die Wirtschaft in Europa wächst, sind Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung besorgt. Grund dafür ist die hohe Inflation. Der durchschnittliche EU-Bürger müsse mit deutlich weniger Reallohn rechnen, als in den vergangenen Jahren. Dieser Vorgang sei einmalig.
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DÜSSELDORF. Die Reallöhne der europäischen Arbeitnehmer sind so stark gesunken wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dies ergaben Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das Institut sprach von einem „in den vergangenen Jahrzehnten einmaligen Vorgang“. Die Entwicklung der effektiven Bruttolöhne könnte EU-weit um 2,9 Prozent hinter der Preissteigerung zurückbleiben, ebenso groß sei der drohende Reallohnverlust in Deutschland.

Anzeichen für eine sich überhitzende Lohndynamik, die ihrerseits die Inflation verstärken könnte, gebe es angesichts einer weiterhin verhaltenen Entwicklung der Nominallöhne hingegen nicht. Diese stiegen in Deutschland im Jahr 2021 nach Daten der Europäischen Kommission nur um 3,4 Prozent, und lägen damit deutlich unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Für das laufende Jahr zeichne sich für Deutschland gesamtwirtschaftlich eine ähnliche Entwicklung ab, und auch das EU-weite Nominallohnwachstum dürfte in diesem Jahr mit voraussichtlich 3,7 Prozent „moderat“ bleiben, glauben die Studienautoren.

Wissenschaftler halten Lohnerhöhungen von sechs Prozent für machbar

„Gleichzeitig verzeichnen viele Unternehmen weiterhin hohe Gewinne und schütten Milliarden Euro an Dividenden aus, wie die Studienautoren Dr. Malte Lübker und Thilo Janssen etwa mit Verweis auf die deutsche Automobilindustrie analysieren“, heißt es in dem Bericht. Das laufende Jahr könnte damit von einer Umverteilung zu Ungunsten der Beschäftigten geprägt sein – eine Entwicklung, die sich nach Einschätzung der Europäischen Kommission in einer sinkenden Lohnquote zeigen werde. Spiegelbildlich führe dies zu einem höheren Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen am Volkseinkommen. Um dem entgegenzusteuern, seien hohe Lohnforderungen in Branchen mit guter Gewinnentwicklung durchaus berechtigt und für die Unternehmen auch zu verkraften, lautet die Analyse der Wissenschaftler. „Dies gilt auch, wenn die gestiegenen Weltmarktpreise für Vorprodukte und importierte Energieträger berücksichtigt werden.“

Dazu hat das WSI den Verteilungsspielraum berechnet, bei dem der Anteil von Löhnen und Gewinnen an der inländischen Wertschöpfung konstant bleibt. „Sowohl für Deutschland, als auch die Europäische Union ergibt sich hieraus ein gesamtwirtschaftliches Potential für Lohnsteigerungen von etwa sechs Prozent“, schreibt das Institut. Die Prognose der Europäischen Kommission lege mit Blick auf die Produktivitätsentwicklung, sowie das Bruttoinlandsprodukt der EU damit nahe, daß gesamtwirtschaftlich gesehen relativ hohe nominale Lohnsteigerungen möglich seien, ohne daß diese zwangsläufig zu einem Rückgang der Unternehmensgewinne führten, schreiben die Urheber der Studie, Dr. Malte Lübker und Thilo Janssen. Allerdings sei aktuell jeder Ausblick „mit einer ungewöhnlich hohen Unsicherheit behaftet“.

Der Staat soll „Auswirkungen der Inflation abfedern“

Diese Unsicherheiten seien zwar Anlaß zur Vorsicht, sollten aber nicht zu vereinfachten Schlußfolgerungen führen, warnten die Wissenschaftler. „Einseitige Forderungen an die Gewerkschaften, im übergeordneten Interesse auf Lohnsteigerungen zu verzichten, greifen jedoch zu kurz und verkennen die Ursachen der momentanen Preisdynamik. Angebrachter wäre ein Appell an die Unternehmen, ihrerseits ‘Gewinnzurückhaltung’ zu üben“, analysieren Lübker und Janssen daher in ihrem Fazit. „Auch dem Staat kommt derzeit eine besondere Verantwortung dafür zu, die sozial- und verteilungspolitischen Auswirkungen der Inflation abzufedern und so indirekt den Erwartungsdruck auf die Tarifparteien zu mildern.“

Aktuell sei die ökonomische Entwicklung in der EU nach Einschätzung der Wissenschaftler allerdings „relativ stabil“. Nach vorläufigen Schätzungen von „Eurostat“ lag das Bruttoinlandsprodukt im 2. Quartal 2022 um 4,0 Prozent über dem des Vorjahreszeitraums. Für das Gesamtjahr prognostiziert die Kommission in ihrem jüngsten Ausblick vom 14. Juli 2022 weiterhin ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent. Auch das Bruttoinlandsprodukt im Euroraum (+2,6 Prozent) und in Deutschland (+1,4 Prozent) wird nach der aktuellen Prognose in diesem Jahr zulegen. (st)

Wissenschaftler der gewerkschaftsnahen Heinrich-Böckler-Stiftung halten trotz Inflation Lohnerhöhungen für realistisch Foto: picture alliance / NurPhoto | Artur Widak
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